Verkehrsunfall: Ihre Ansprüche
Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer betreiben Schadenmanagement, Unfälle mit eindeutiger Haftungslage sind weit überwiegend. Der Geschädigte kann und darf, ständige Rechtsprechung, auf Kosten des Unfallgegners einen Anwalt beauftragen. Das wissen auch die Kraftfahrtversicherer. Sind Sie Opfer eines Unfalles, werden Sie häufig sehr schnell ein Schreiben der gegnerischen Versicherung bekommen, worin Ihnen angeboten wird, den Unfall unbürokratisch zu regulieren samt Übernahme der Werkstattkosten, möglichst noch bei einer Ihnen vorgeschlagenen Werkstatt oder mit Begutachtung durch eigene Sachverständige.
Dieses nur scheinbar freundliche Schreiben erfüllt nur einen Zweck: die eigenen Aufwendungen für den Unfall gering zu halten, namentlich Kosten für Ihren Anwalt einzusparen. Ungefragt sagt Ihnen die gegnerische Haftpflichtversicherung häufig nicht, daß
- Sie einen (wenn auch geringen) Anspruch auf Ausgleich ihrer Laufereien haben,
- Sie ggf. einen Mietwagen oder stattdessen einen pauschalen Nutzungsausfall verlangen können,
- zusätzlich zu Reparaturkosten ggf. eine "merkantile Wertminderung" auszugleichen ist,
- Ihnen ein Schmerzensgeld zustehen kann, wenn Sie verletzt wurden.
Bei der übereilten Anmietung von Unfall-Ersatzfahrzeugen laufen Sie zudem Gefahr, daß dessen Kosten nicht in vollem Umfang von der Versicherung getragen werden. Das liegt daran, daß Autovermieter für Unfallersatzwagen höhere Tarife verlangen als für normale Anmietungen, die die Versicherer nicht ohne weiteres ausgleichen wollen, ein alter Streit, mehr hier bei Wikipedia; letzter Stand der Dinge hier in einer Entscheidung des BGH vom 02.02.2010 (VI ZR 139/08). Wegen Verletzung ihrer Schadenminderungspflicht können Sie auf Mietwagenkosten sitzenbleiben, wenn Taxifahren deutlich preiswerter gewesen wäre.
Ist die Haftungslage nicht eindeutig, muß eine Haftungsverteilung nach Quoten erfolgen, dh. Sie erhalten nur teilweise Ersatz Ihres Schadens, auch der Kosten des vielleicht schon von Ihnen veranlaßten Sachverständigengutachtens, während ihre eigene Haftpflichtversicherung auch einen Teil des gegnerischen Schadens übernimmt mit der Folge, daß ihre Schadenfreiheitsklasse sich verschlechtert. Wie Sie sich hier optimal verhalten, können Sie als Laie nicht wissen.
Sie müssen einen zB. durch Gutachter festgestellten Schaden nicht durch eine Vertragswerkstatt des Herstellers reparieren lassen. Sie können bei einem preiswerten Karosseriebauer arbeiten lassen, selbst reparieren, wenn Sie das können, oder einfach nicht reparieren. Gleichwohl steht Ihnen der vom Gutachter festgestellte Schadensersatz in voller Höhe zu, allerdings ohne Mehrwertsteueranteil, wenn nichts repariert wurde. Die Reparaturkosten dürfen zudem den Zeitwert Ihres Wagens bis zu 30% übersteigen.
Können Sie sich vorstellen, daß ein Gutachter, der in einem ständigen Beschäftigungsverhältnis zu einer Versicherung steht, ein unparteiisches Ergebnis abliefert? Auf solche Gutachter greife ich allenfalls bei sehr problematischer Haftungslage zurück, weil sie nichts kosten, so daß mein Mandant nicht auf einem Teil der Gutachterkosten sitzenbleibt.
Probleme bei der Abrechnung auf Gutachtenbasis
Seit 2010 hat sich eine neue, verdrießliche, aber leider unvermeidliche Fallgestaltung entwickelt, wenn Sie ihren Unfall auf Gutachtenbasis abrechnen wollen, weil Sie selbst oder durch Bekannte reparieren können:
Sie lassen ein Sachverständigengutachten anfertigen. Für Karosserie- und Lackierarbeiten, erheblicher Anteil der Reparaturkosten, setzt der Sachverständige völlig richtig als Stundensätze die bei uns üblichen Durchschnittswerte von etwa 105,00 € an, wie sie z.B. die DEKRA auf ihrer Homepage veröffentlicht. Sie könnten in einer Fachwerkstatt zu diesen Stundensätzen reparieren lassen, die Versicherung müßte das hinnehmen.
Erfreut rechnen Sie stattdessen auf Gutachtenbasis ab, das geht, lediglich die Umsatzsteuer können Sie nicht verlangen, sie entsteht nicht ohne Werkstattreparatur, § 249 Abs. 2 BGB.
Jetzt meldet sich die gegnerische Versicherung und kürzt Ihnen zunächst die im Gutachten enthaltenen Verbringungskosten von der Karosseriewerkstatt zur Lackiererei. Damit hat sie recht, denn diese Kosten sind nicht entstanden. Weiter erklärt man Ihnen, die zertifizierte XY-Karosseriewerkstatt in nur 7,2 km Entfernung könne dieselben Arbeiten für nur 85,00 € pro Stunde durchführen. Im Rahmen Ihrer Schadenminderungspflicht müßten Sie (fiktiv!) dorthin gehen. Die Reparaturkosten werden entsprechend gekürzt, Ihre private Kalkulation ist perdu.
Grundlage dieser Rechtsprechung ist das "BMW-Urteil" des Bundesgerichtshofes vom 23.10.2010. Leitsatz: "Der Schädiger darf den Geschädigten im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere und vom Qualitätsstandard gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen."
Die "Unzumutbarkeitsumstände" können sie allenfalls bei nur wenige Jahre alten Fahrzeugen dartun, wenn Sie eine lückenlose Wartung in einer markengebundenen Fachwerkstatt nachweisen können.
Die Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer registrieren Schadensregulierungen in einer gemeinsamen Datenbank. Haben Sie später einen weiteren Unfall und können die fachgerechte Reparatur des ersten Schadens nicht nachweisen, ist Zeitwert Ihres Wagens nur noch der Wert vor dem ersten Unfall abzüglich der Kosten der nicht durchgeführten Reparatur!
Bei Totalschäden werden Sie hinsichtlich der Fahrzeugrestwerte immer häufiger auf seltsame Restwertaufkäufer verwiesen, allenfalls über eine Funktelefonnummer erreichbar, die angebliche Mondpreise für Ihren Schrott zahlen wollen, jedenfalls erheblich mehr, als ihr Gutachter oder örtlicher Schrotthändler veranschlagt hat.
Meiner Ansicht nach eignet sich kein Verkehrsunfall dazu, vom Geschädigten selbst abgewickelt zu werden. Mit der Unfallregulierung sollten Sie immer einen Anwalt beauftragen.
Für die Mitteilung des Unfalles an die eigene (bei noch unklarer Haftungslage) oder die gegnerische Versicherung haben Versicherungswirtschaft und Deutscher AnwaltVerein diesen sehr umfassenden Fragebogen entwickelt, den Sie mindestens als Gedächtnisstütze verwenden können. Zur Geltendmachung Ihrer Ansprüche benötige ich eine Vollmacht, bei Körperverletzungen zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zusätzlich diese Erklärung.
Unfall mit Bundespolizei- oder deutschen oder ausländischen Militärfahrzeugen? Kurze Schadenmeldefrist von nur drei Monaten beachten!
Unfall im EU-Ausland: Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 17.12.2007 können Sie die ausländische Versicherung an Ihrem Wohnort verklagen.